Impulsvortrag: Diversität

Prof. Dr. Thomas Kunz

Diversität, als prominenter Begriff, ist häufig anzutreffen, wenn es um sowohl Unterscheidung als auch Anerkennung von "Gruppen" entlang unterschiedlicher Dimensionen und gesellschaftlich zugewiesener Merkmale geht. Nicht selten wird alternativ auch der Begriff Vielfalt benutzt. Gesellschaftliche Diversität und Vielfalt werden insbesondere auf folgende Ebenen/Dimensionen bezogen: sog. Kultur/ethnische Herkunft, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, sog. Behinderung sowie Religion/Weltanschauung. Teils werden weitere Aspekte in den Blick genommen (bspw. Klasse/soziale Herkunft). Ausgehend von den Erfahrungen einer über 40 Jahre sehr erfolgreichen und innovativen Sozialen Arbeit - nicht nur, aber auch - im IFZ, die schon früh und exponiert die Anerkennung sog. kultureller Vielfalt in Gestalt des Ansatzes Interkultureller Öffnung (IKÖ) in den Mittelpunkt professionellen Handelns rückte, wäre zu fragen, ob und inwieweit sich künftige (auch konzeptionelle) Weiterentwicklungsbedarfe abzeichnen bzw. andere/neue Konzepte anbieten, um, in Anbetracht einer gestiegenen gesellschaftlich Sensibilität hinsichtlich eines mittlerweile umfänglicher gewordenen Repertoires an explizit wahrgenommenen Vielfaltsdimensionen (s.o.), auch in Zukunft (vielfalts-)angemessen aufgestellt zu sein.

Aus konzeptioneller Perspektive ist folglich pragmatisch zu fragen, ob der Ansatz der IKÖ weiterhin geeignet ist, jene Mehrdimensionalität in professionelles Handeln einzubeziehen bzw. zu übersetzen? Oder - falls hieran sachlich begründete Zweifel bestehen - welche alternativen Ansätze/Konzepte sich gegebenenfalls anbieten?
Im ersten Schritt geht es folglich um eine Vergewisserung darüber, ob und wie der Interkulturalitätsbegriff sich von einer dimensionalen Engführung emanzipiert und kritisch-reflexiv transformiert hat, um jenem weitergefassten Diversitätsspektrum zu entsprechen. Beobachtbar war bzw. ist hier ein Plädoyer für ein weites Verständnis. Hierbei lassen sich zugleich aber auch Hinweise darauf finden, dass dieser Weitung in Anbetracht des geltenden Alltagsverständnisses von Interkulturalität gewisse Grenzen gesetzt zu sein scheinen. Deshalb gilt es, anschließend an die vorherige Positionsbestimmung, auch andere, ergänzende bzw. konkurrierende Konzepte/Ansätze in den Blick zu nehmen und daraufhin zu befragen, ob sie es womöglich besser gewährleisten, den zuvor angedeuteten Beschränkungen entgehen. Exemplarisch soll entlang der Begriffe Intersektionalität und Inklusion ausgelotet werden, welches Innovationspotenzial sich bei diesen in Bezug auf eine diversitätsangemessene Soziale Arbeit abzeichnet oder ob auch hier ggf. Einschränkungen bestehen.

Die umrissene Reflexion dient somit der Selbstvergewisserung hinsichtlich bestehender konzeptioneller Bezüge (Stichwort IKÖ) und der Klärung der Frage ihrer künftigen Angemessenheit sowie dem Aufzeigen möglicher Anknüpfungspunkte zu parallel sich entwickelnden, teils konkurrierender Ansätzen (Stichwort Inklusion).

Vita:
Professur für "Soziale Arbeit und Bildung im Kontext sozialer Ungleichheit" an Frankfurt University of Applied Sciences, Lehrtätigkeit in Studiengängen B.A. Soziale Arbeit und M.A. Diversität und Inklusion. Langjährige berufspraktische Erfahrungen im Integrationsbereich auf kommunaler, auf Bundes- sowie auf intermediärer Ebene Publikations- und Forschungsschwerpunkte: Fragen zu Migration, Integration und Interkulturalität, allgemeine migrationssoziologische Fragestellungen sowie Untersuchung gesellschaftlicher Fremdheitsbilder, Rassismus aus diskursanalytischer Perspektive. Darüber hinaus sozialwissenschaftliche und erkenntnistheoretische Grundlagen Sozialer Arbeit in der Migrationsgesellschaft, Methoden qualitativer Sozialforschung, Fragen der Evaluations- und Begleitforschung in den benannten Themenfeldern.